Kündigung wegen Eigenbedarfs: Fachärztliches Attest zum Nachweis der gesundheitlichen Härte nicht unabdingbar

Wohnungskündigungen sind für viele Mieter ein schwerer Schlag, da es dabei um weitaus mehr geht als nur um das Dach über dem Kopf. Wenn in der Folge körperliche und oder seelische Folgen zu erwarten sind, kann die sogenannte Härteklausel der Kündigung entgegenstehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) musste klären, ob immer ein fachärztliches Attest nötig ist, um den gegen die Kündigung gewandten Widerspruch plausibel darzulegen.

Ein Mann wohnte seit vielen Jahren in einer Wohnung in Berlin und hatte dort auch eine Untermieterin. Dann passierte das, was für Mieter in Ballungszentren ein Alptraum ist: Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Der Mieter legte daraufhin gegen die Kündigung Widerspruch ein und reichte eine Stellungnahme seines Behandlers ein - kein Facharzt, sondern ein Psychoanalytiker, der psychotherapeutische Behandlungen auf Grundlage des Heilpraktikergesetzes durchführte. In der Stellungnahme hieß es, der Mieter leide an einer schweren Depression, die sich durch einen Umzug stark verschlechtern würde.

Das Amtsgericht gab jedoch der Vermieterin Recht und ordnete die Räumung an. Das Landgericht (LG) bestätigte diese Entscheidung, da der Mieter nicht ausreichend belegt habe, dass ihm ein Umzug wegen seiner Erkrankung nicht zuzumuten sei. Dazu hätte er ein fachärztliches Attest vorlegen müssen.

Die Revision führte jedoch zu einer anderen Entscheidung: Der BGH erklärte, dass nicht immer ein fachärztliches Attest nötig sei. Auch ausführliche schriftliche Erklärungen eines medizinisch qualifizierten Behandlers können ausreichen, wenn sie das Beschwerdebild gut erklären. Entscheidend sei, wie genau und überzeugend die gesundheitlichen Folgen eines Umzugs dargelegt werden. Das LG hätte die vorgelegten Stellungnahmen des Behandlers daher inhaltlich bewerten müssen und konnte sie nicht allein wegen fehlender fachärztlicher Qualifikation ignorieren.

Hinweis: Wer als Mieter wegen gesundheitlicher Gründe Widerspruch gegen eine Kündigung einlegt, muss das gut begründen. Dazu braucht es aber nicht immer ein fachärztliches Attest - auch andere medizinische Nachweise können genügen, wenn sie ausführlich und glaubhaft sind.
 
 


Quelle: BGH, Urt. v. 16.04.2025 - VIII ZR 270/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 09/2025)