Außergewöhnlicher Umstand: Keine Kündigung nach unverschuldetem Verlust des Aufenthaltstitels und Visumproblemen

Auf den ersten Blick hat der Arbeitnehmer in diesem Fall das Zuspätkommen auf neue Höhen getrieben. Doch dass die dreieinhalb Monate "Urlaubsverlängerung" alles andere als freiwillig waren, lag angesichts der dem Arbeitsgericht Herne (ArbG) dargelegten Fakten mehr als nahe. Genau daher trafen sich der Arbeitgeber und sein gekündigter Arbeitnehmer dort auch wieder.

Der Mitarbeiter eines großen Paketdienstes machte Urlaub in Somalia. Die Reise war mit dem Arbeitgeber abgesprochen. Eigentlich hätte er am 26.10.2024 wieder zur Arbeit erscheinen sollen. Doch auf dem Flughafen wurde ihm sein Aufenthaltstitel gestohlen. Ohne dieses Dokument durfte er nicht ausreisen. Er meldete den Vorfall der Polizei und wandte sich an die deutsche Botschaft. Ein neues Visum bekam er aber erst viele Wochen später. Erst am 04.02.2025 konnte der Mann wieder zurück nach Deutschland fliegen. Am nächsten Tag bot er sofort seine Arbeitskraft wieder an. Der Arbeitgeber hatte da bereits anders entschieden. Er hatte den Mitarbeiter abgemahnt und ihm am 20.01.2025 ordentlich zum 31.03.2025 gekündigt. Der Mann klagte dagegen - mit Erfolg.

Das ArbG erklärte die Kündigung für nicht gerechtfertigt. Zwar habe der Mann seine Arbeit nicht aufgenommen, aber der Grund dafür lag nicht in seinem Einflussbereich. Der Verlust des Aufenthaltstitels war ein außergewöhnlicher Umstand. Außerdem habe der Beschäftigte sich ehrlich bemüht, Kontakt zu halten und seine Rückreise zu regeln. Der Arbeitgeber konnte nicht nachweisen, dass durch das Fehlen des Manns ernsthafte Probleme im Betrieb entstanden waren. Auch organisatorische Schwierigkeiten seien nicht erkennbar gewesen. Dazu kam: Der Mann arbeitete bereits seit fünf Jahren ohne Beanstandungen im Unternehmen - auch das sprach gegen eine Kündigung.

Hinweis: Wer ohne eigenes Verschulden zu spät aus dem Urlaub zurückkehrt, darf nicht einfach entlassen werden. Wichtig ist, dass man alles tut, um den Arbeitgeber zu informieren. Auch die bisherige Zusammenarbeit spielt bei der Bewertung eine Rolle.


Quelle: ArbG Herne, Urt. v. 08.05.2025 - 4 Ca 208/25
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 09/2025)